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Parallelgeselschaft

1856
Parallelgeselschaft

Alle reden von kultureller Integration. Wie gelingt sie den vielen Deutschen, die in der Türkei leben? Und wie verändert sich die dortige Kultur infolge der Zuwanderung? Ein Ortstermin. „Irgendwann kommt der deutsche Schweinehund durch und du willst deutsches Essen haben“, sagt Willi Fillbach. Deswegen gibt es auch in seiner „Traditionsgaststätte“, direkt am berühmten Kleopatra-Strand, Speisen wie Rührei mit Schinken und Bratkartoffeln oder Eintopf mit Wursteinlage, zu je 2,95 Euro. Ein türkischer Koch bereitet die Spezialitäten zu. Willi hat ihn höchstpersönlich in die Geheimnisse der deutschen Küche eingeweiht. Hier gibt es auch deutsches Bier, frisch gezapft. An den Tischen sitzen Männer mit weißen Frotteesocken in Sandalen und Frauen mit grauen, dauergewellten Haaren.

Für die Einheimischen mag dies wie ein Ort aus einer fremden Galaxie erscheinen, aber für Deutsche ist das ein Stück Heimat. Oder doch die vielzitierte Parallelgesellschaft? „Jeder hat so seine Gewohnheiten“, sagt Willi und fragt: „Muss man sich denn immer entscheiden, ob man türkisch oder deutsch sein will, geht nicht beides?“ Das Beherrschen der Landessprache wird ja generell als wichtiges Merkmal einer gelungenen Integration angesehen. Doch Willi spricht, das gibt er offen zu, nur gebrochen Türkisch. Er meint, man schaffe es auch so, sich zu verständigen. Viele Türken könnten ja ohnehin Deutsch. Der Duisburger, der vor 24 Jahren nach Alanya kam, hat die Entwicklung der kleinen Hafenstadt zur aufstrebenden Touristenmetropole in allen Phasen miterlebt.

„Sie wollen doch nicht etwa Schweinefleisch kaufen?“

Zurzeit leben hier schätzungsweise 6000 Deutsche, eigentlich nicht viel für eine Stadt mit 270 000 Einwohnern. Trotzdem haben sie Alanya ihren Stempel aufgedrückt, mit ihnen stieg auch die Lebensqualität in der Stadt. Die deutsche Gründlichkeit, manche nennen es Besserwisserei, hat Spuren hinterlassen: Fahrradspuren wurden angelegt, der Müll verschwand von der Straße - alles auf Anregung der Neubürger. Fehlt nur noch das Dosenpfand.

„Im Februar haben wir Fastnacht gefeiert“, sagt Willi beiläufig. Es sei ein wenig laut geworden, und die Nachbarn hätten sich beschwert. Türken? „Nein, Deutsche!“ Er kann es nicht fassen, dass er sich hier mit renitenten Landsleuten herumschlagen muss. Dabei liegt das Paradies direkt vor seiner Tür: das glitzernde Meer, an dem sich Sonnenhungrige drängen, die Palmen an der Strandpromenade, auf der erholungsbedürftige Menschen defilieren. Die Geschäfte laufen gut, seitdem auch zahlungskräftige Auswanderer die Stadt für sich entdeckt haben. Doch nun sind die Mieten und Lebenshaltungskosten gestiegen, auch die Immobilienpreise. Bei einigen Türken wachsen die Bedenken, dass durch den westlichen Einfluss die eigenen Wertvorstellungen unter die Räder kommen könnten.

Es gibt auch einen Schweinemetzger in Alanya, nicht leicht zu finden. Der alte Mann mit Käppi und Gebetskette beschreibt den Weg nicht ohne Warnhinweis: „Sie wollen doch nicht etwa Schweinefleisch kaufen?“ In diesem eher konservativen Viertel hat der Besitzer von „Pork & Deli“ nicht nur wegen seines Ohrrings keinen leichten Stand. Aus Rücksicht auf die Gefühle seiner Landsleute hat er die Schnitzel und Koteletts aus der Auslage entfernt, dafür liegen jetzt rosa Plüschschweinchen im Schaufenster.

Dienstleistung wird hier großgeschrieben. So hat sich auch Remzi selbständig gemacht und nach seiner Rückkehr aus Deutschland zum „Reiseführer“ umgeschult. „Die Deutschen sind hochnäsig“, meint er. Klar, sie würden Geld ausgeben und so zum Wohlstand der Stadt beitragen, aber anpassen wollten sie sich nicht. Manchmal habe er das Gefühl, es sei sogar andersherum. Die Einheimischen passten sich den hier lebenden Deutschen an. Streunende Hunde dürften jetzt nicht mehr vergiftet werden - die Deutschen hätten sich beschwert. Die deutsche Tierliebe, auch in der Türkei wird sie ausgelebt.

Im Bikini über den Basar schlappen ist nicht hinnehmbar

Es gibt Rentner, die Geld sammeln, um Straßentiere aufzupäppeln, oder sie setzen sich für Katzenhäuser mit Videoüberwachung ein, damit ja niemand ihren Lieblingen ein Leid zufügt. Solche und ähnliche Geschichten liest man oft in dem deutschsprachigen Magazin „Türkis“, neben Anzeigen wie „Bin deutsch und suche Putzstelle“. Gegründet wurde die Zeitschrift von Martina Yaman, die mit einem Türken verheiratet ist. Ihr Büro ist inzwischen zu einer Anlaufstelle geworden, für all die, die sich durch die türkische Bürokratie überfordert fühlen. Sie selbst lebt schon dreizehn Jahre in ihrer neuen Heimat, für die sie sich sehr engagiert.

So findet jedes Jahr ein Weihnachtsmarkt statt, der auch die Türken erfreut. Der frühere Bürgermeister, übrigens von der islamisch-konservativen AKP, habe die Vielfalt in der Stadt gepflegt und von den Ausländern nie erwartet, dass sie sich assimilieren, erzählt sie. Er hat auch den Ausländerbeirat, den einzigen in der Türkei, vor zehn Jahren ins Leben gerufen, in dem auch Frau Yaman Mitglied ist. Zurzeit wehren sie sich dagegen, dass türkische Händler von Ausländern beim Einkauf mehr Geld verlangen als von Einheimischen. Die Stadtverwaltung, so fordern sie, müsse diese „Ausländerpreise“ verbieten.

Frau Yaman stört auch, dass Alanya immer mehr zur Partymetropole verkommt: Holländer im Alkoholrausch, Russen, die sich auf der Straße erleichtern, und Norweger, die sich mit heruntergelassener Hose vor dem Atatürk-Denkmal fotografieren lassen. Auch dass manche „im Bikini über den Basar schlappen“, sei nicht hinnehmbar. Ordnung muss sein. Doch was ist türkisch und was ist deutsch? Bei ihr, wie bei ihren Kindern, die zweisprachig aufwachsen, verschwimmen die Grenzen. Sie sagt, sie sei Deutsche, fühle sich aber auch als Türkin. Daher besitzt sie auch die doppelte Staatsbürgerschaft. „Wir alle sind in der glücklichen Lage, in zwei Kulturen zu Hause zu sein.“

Alles soll so bleiben, wie es ist

Auch Horst fühlt sich in Alanya zu Hause, so sehr, dass er hier sogar begraben werden möchte. Für diese Fälle gibt es neuerdings einen speziellen Service, der sich um all die Formalitäten rund um Tod und Testament kümmert. Es wurde sogar ein neues Gräberfeld für Christen geschaffen, nachdem der alte Friedhof wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Doch noch ist Horst putzmunter, ein rüstiger Rentner, der sein Alter mit „unter 100“ angibt. In Deutschland hatte er einen Schlaganfall, dann starke Depressionen. Sein Arzt riet ihm, zur Erholung an die türkische Riviera zu fahren. Das war 2002.

Unter der Sonne des Mittelmeers ist er nun aufgeblüht. Mit seiner Rente kann er sich einen hohen Lebensstandard leisten, und er besitzt sogar eine Eigentumswohnung, in einem Haus voller Türken. Ab und zu spielt er Schach mit ihnen, aber er hat auch Spaß daran, die Zeit mit seinen deutschen Kumpels zu verbringen, donnerstags zum Beispiel, in Willis Kneipe. Dann sitzen die Männer bei Bier und Zigaretten in Grüppchen zusammen und spielen Skat. Es gibt Frikadellen, manchmal auch Bratwürste, die echten, versteht sich. „Ich habe es schon mit bulgarischen und griechischen versucht, doch die schmecken nicht“, erzählt der Wirt.

Jetzt lässt er sich die Würste von seinen Gästen im Reisekoffer aus Deutschland mitbringen. Ein heikles Thema, und er ist froh, dass ihn eine deutsche Bekannte anspricht. Sie kommt gerade vom Ausländeramt, es gibt Neuigkeiten: Wer eine „Ikamet“, eine Aufenthaltsgenehmigung, haben will, der müsse neuerdings eine türkische Krankenversicherung abschließen, berichtet sie. Die deutsche würde nicht mehr akzeptiert. Noch ist unklar, ob das auch der Wahrheit entspricht, doch plötzlich hat ihre heile Welt Risse bekommen. „Abzocke“, ruft einer vom Nebentisch. „Das ist alles wegen Erdogan. Der macht uns das Leben schwer“, sagt ein anderer. Bald sei es aus mit „Alkohol, Zigaretten und Tanz“. Willi nickt. Jetzt ist sie wieder da, die Angst, dass ihr Paradies immer nationalistischer und islamischer werden könnte. Dabei wollen sie doch nur in aller Ruhe ihr Leben genießen. Es soll alles so bleiben, wie es ist. „Ist das zu viel verlangt?“, fragt Willi.

Einzelnachweise: Weblink http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/deutsche-in-der-tuerkei-das-paradies-in-der-parallelgesellscha...

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